Tunesien 2000

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Jeder so, wie er es verdientWir befinden uns im Jahre 2000 n. Chr., das neue Jahrtausend ist gerade mal neun Stunden alt. Alle Deutschen liegen mit Katerstimmung im Bett... Alle Deutschen? Nein! Ein unbeugsamer bayerischer Motorradfahrer hört nicht auf, dem Gruppenzwang der Massengesellschaft Widerstand zu leisten. So kommt es, dass ich zum Auftakt des neuen Jahrtausends genüsslich unter der wärmenden Sonne Djerbas frühstücke. Jeder so, wie er es verdient!

Erwartungsvoll drücke ich den Startknopf der gemieteten Transalp, der Beginn einer zehntägigen Reise durch den Süden Tunesiens. Nur wenige Minuten später liege ich samt Motorrad im Dreck. Beim Aufrichten der Fuhre schweift mein Blick über den Tageskilometerzähler. Ist der Sturz nach exakt 13 Kilometer ein schlechtes Omen? Oder fiel ich einfach nur aufgrund der Tatsache, dass ich die hervorragenden Gleiteigenschaften der Michelin T66 Bereifung auf schlammigen Untergrund unterschätzte? Ich hoffe Letzteres.

Synagoge La GhribaAn Sehenswürdigkeiten hat Djerba nicht sehr viel zu bieten. Ich besuche die Töpfer in Guellala, schlendere durch die Souks (Basare) der Inselhauptstadt Houmt Souk, bestaune den Leuchtturm, mit 54 Meter der höchste des Landes, und besichtige die Synagoge La Ghriba. Laut Reisehandbuch geht ihr Name auf eine Heilige zurück, die hier bei einem Gewitter in ihrem Zelt verbrannte, wobei ihr Körper unversehrt blieb. Wie auch immer man das verstehen soll? Mit reich verzierten Kacheln, bunten Fenstern, schönen Kronleuchtern und runden Torbögen, die sich auf blaue Säulen stützen, verwöhnt das jüdische Heiligtum das Auge des Betrachters. (Im April 2002 wurde diese Synagoge bei einem grausamen Anschlag, dem auch einige deutsche Urlauber zum Opfer fielen, grossteils zerstört)

Leuchtturm auf DjerbaAbends sitze ich in einem Lokal und lasse den Gedanken freien Lauf. Zu Hause wird wohl gerade ein blonder Dauergrinser mit Mittelscheitel volkstümliche Neujahrsgrüsse aus den heissgelaufenen Fernsehgeräten schwuchteln. Bei dieser bildhaften Vorstellung werde ich von einem nicht enden wollenden Lachkrampf heimgesucht. Die ausnahmslos einheimischen Gäste starren mich fragend an. Zwischen den Lachern quetsche ich ein entschuldigendes "Almani" heraus, "Deutscher". Ihnen jetzt den Grund meines Lachanfalls zu erklären, würde wohl den Rahmen jeder vernünftigen Kommunikation sprengen. Mit verständnislosen Blicken wenden sie sich wieder ihren ursprünglichen Gesprächspartnern zu.

Höhlenwohnung in MatmataNach diesem peinlichen Erlebnis fällt es mir nicht schwer, der Insel den Rücken zu kehren. Auf einer 6 km langen Dammstrasse erreiche ich das Festland. Der weitere Verlauf der Reise führt mich auf traumhaften Pisten durch schöne Berglandschaften zu den Höhlenwohnungen von Matmata. Den Tourhöhepunkt bildet der riesige Salzsee Chott el Djerid mit seinen umliegenden Bilderbuchoasen.

Die Transalp erweist sich von Kilometer zu Kilometer immer mehr als richtige "Gurke". Das Windschild habe ich wegen störender Luftverwirbelungen bereits am ersten Tag demontiert, die restliche Verkleidung löst sich ohne mein Zutun von selbst auf. Mit selber gebastelten Drahtklammern versuche ich Verlusten vorzubeugen (was hat eigentlich eine Vollverkleidung aus Plastik an einer Enduro zu suchen?). Auch der Motorschutz (natürlich ebenfalls aus Plastik), den jetzt ein riesiger Sprung ziert, ist den Anforderungen tunesischer Geröllpisten nicht gewachsen.

Der Salzsee Chott el DjeridDer Gipfel des Ganzen ist dann schliesslich ein Lichtmaschinendefekt. Mit zunehmend stotterndem Motor versuche ich die Kiste wieder zurück nach Djerba zu fahren. Es bleibt allerdings nur beim Versuch. Bei Tataouine geht die Mühle ganz aus, nix geht mehr. Mein Plan, die Batterie zu laden, um mit dem Strom aus selbiger bis nach Djerba zu gelangen, ist leichter gedacht als getan. Ein Ladegerät ist relativ schnell aufgetrieben, nur mangelt es hier an Steckdosen. Nach langer Suche werde ich bei einem Barbier (Friseur) fündig. Der Strom der frisch geladenen Batterie reicht schliesslich für den Rückweg.


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