Bei
den Augrabies Fällen lerne ich Michael aus Norddeutschland
kennen. Gemeinsam fahren wir nach Namibia, wo es erst einmal wie
in Südafrika aussieht:
Kiesboden mit spärlichen gelben Grasbüscheln, vereinzelt
niedrige dornige Bäumchen und der weit entfernte Horizont,
der im sprichwörtlichem Nichts zu enden scheint. Verrückt
ist, und es wird mich die nächsten vier Wochen begleiten,
dass dieses Land mit Stacheldraht eingezäunt ist. Weit und
breit kein Mensch, kein Tier, aber Zaun. Die Farmer wollen wohl
die Steine am Weglaufen hindern.
Bei
Ai-Ais, am Südende des Fish River Canyons, gesellt sich ein
österreichisches Pärchen in einem alten Honda Civic
dazu, viele Strecken werden wir nun gemeinsam unter die Räder
nehmen. 160 km lang und 550 m tief, der Fish River Canyon ist
nach dem Grand Canyon in den USA der zweitgrösste seiner
Art. Von verschiedenen Aussichtspunkten geniessen wir die atemberaubenden
Aus- und Einblicke in diese gigantische Tallandschaft.
Auf
der Strecke nach Lüderitz geht es weit geschwungen durch
ein dürres Berg- und Hügelland. Etwa alle 30 Minuten
ist mit Gegenverkehr zu rechnen, immerhin ist das eine der wichtigsten
Fernstrassen, geteert und breit. Und dann "Aus". Keine
Motorradpanne, sondern die resignierende Feststellung der Kolonisten,
die sich auf der Suche nach Acker- und Weideland durch die Steppen
und Halbwüsten des Landesinneren gequält hatten, und
die nun plötzlich am Abhang zu einer der schlimmsten Wüsten
der Erde standen. So heisst also die kleine Siedlung am Rande
der Namib, zu der dann doch noch eine Eisenbahnlinie von der Küste
her gebaut wurde. Vorbei an halb verhungerten Wildpferden, um
deren Herkunft man sich noch heute streitet, gilt es einen orkanartigen
Sandsturm zu überstehen. Mit regelrecht sandgestrahlten Motorrädern
erreichen wir Lüderitz.
1884
gründete der Bremer Kaufmann, nach dem die Stadt bald benannt
werden sollte, hier einen Handelsposten. Er kaufte von den einheimischen
Häuptlingen nach und nach immer mehr Küstenland und
liess wenig später seine Erwerbungen unter den Schutz des
Deutschen Reiches stellen. Diese Stadt bildete also die Keimzelle
der Kolonie Deutsch Südwestafrika. Die Bauten aus der deutschen
Kolonialzeit prägen das Stadtzentrum noch heute. Viele Strassen
und Häuser tragen deutsche Namen und es wird, wie in vielen
Teilen des Landes, noch häufig Deutsch gesprochen.
Da
muss man um den halben Globus reisen, um eine deutsche Geisterstadt
zu besichtigen. Die Rede ist von Kolmannskuppe, wo bis vor gut
sechzig Jahren Diamanten abgebaut wurden. Heute pfeift nur noch
der Wind durch die kaputten Sprossenfenster. Der mehlfeine Sand
lagerte sich über Jahrzehnte in den Häusern ab und füllte
die Erdgeschosse so weit auf, dass man teilweise auf dem Bauch
unter den Türrahmen durchkriechen muss.
Auf
Gravelroad, das ist Kies- und Sandpiste, fahren wir entlang des
Namib Naukluft Park in nördliche Richtung. Nur alle paar
Stunden kommt uns ein Fahrzeug entgegen, die Weite des Landes
ist schier unfassbar. Diese meditative Fahrt durch traumhafte
Wüstenlandschaften ist wie Balsam auf die Seele eines staugeplagten
Mitteleuropäers. Fast gespenstisch wirken Oryxantilopen,
die mit ihren langen und spitzen Hörner vereinzelt in dieser
unwirklichen Gegend herumstolzieren. Unter einer grossen Akazie
schlagen wir unsere Zelte auf und erfreuen uns an einem atemberaubenden
Sonnenuntergang. Unter dem Kreuz des Südens bekomme ich vor
lauter Staunen kaum ein Auge zu, so sehr fasziniert mich der gigantische
Sternenhimmel.
Eine
Schotterpiste führt von Osten her rund 60 km in den Namib
Naukluft Park. In ungeheuren Wellen und Bögen schwingen sich
zu beiden Seiten reinste Sanddünen in die Höhe. Am Morgen
zartrosa, durchlaufen sie mit ändernder Sonneneinstrahlung
alle Varianten von Rot und Braun. Das Zusammenspiel der sich ständig
ändernden Schatten und Farben in diesem unendlich scheinendem
Gebirge aus Sand ist mit das Eindrucksvollste meiner Reise bisher.
Auch fahrerisch gehört dieser Abstecher zu den bisherigen
Highlights, denn die letzten Kilometer zum Sossusvlei führen
durch tiefen Sand. Endlich kann ich die in der Theorie mir bestens
bekannten Fahrtechniken mal in der Praxis ausprobieren. Und tatsächlich,
je mehr Gas ich gebe, desto besser komme ich zurecht.
Merkwürdiges
widerfährt mir auf dem Weg nach Windhuk. Noch nie zuvor in
Ostdeutschland gewesen, stehe ich plötzlich mitten im namibischen
Nichts neben einem Wegweiser mit der Aufschrift "Rostock".
Auf dem Gamsbergpass läuft mir beinahe eine Oryxantilope,
auch Gamsbock genannt, ins Motorrad. Mann war das knapp! Mit zittrigen
Knien erreiche ich Windhuk, mit 180.000 Einwohnern die grösste
Stadt des Landes. Die nächsten Tage ernähre ich mich
fast ausschliesslich von Oryxsteaks, denn umso mehr ich von diesen
Tieren aufesse, desto geringer wird die Gefahr, dass mir nochmal
eines vors Motorrad läuft. Logisch, oder? Beim traditionellen
Sundowner auf einem Hügel ausserhalb der Stadt wird mir die
Fotoausrüstung aus dem Motorradkoffer geklaut. Diesen schmerzlichen
Verlust spüle ich in "Joe´s Beer House" hinunter,
einem Treffpunkt deutschsprachiger Windhuker. Für einen völlig
überteuerten Preis kaufe ich einen Fotoapparat der Marke
Samsung, Typ "08-15". Hier
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